Meine andere Großmutter erzählt

Ein Beitrag zum Projekt „Gegen das Vergessen“ – Teil 7

Die Mutter meines Vaters hat eigentlich nicht viel vom Krieg oder dieser Zeit erzählt. Ich glaube, ich habe sie auch nicht so direkt gefragt, wie die Mutter meiner Mutter. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht weil ihr Verlust sie mit einer Art Aura umgab, die Nachfragen nicht zuließ? Erfahren habe ich die Dinge eigentlich eher implizit.

Mein Vater hatte keine Geschwister. Und doch fragt man natürlich nach Onkeln und Tanten. Dabei stellte sich dann heraus, dass er doch einen Bruder hatte – deutlich älter als er selbst und damit noch während des Kriegs alt genug, um eingezogen zu werden. Er kam nicht zurück. Die letzte Post, die meine Oma bekam, kam aus der Nähe von Stalingrad. Eine wirkliche Information über seinen Tod gab es nicht. Man hat ihn dann irgendwann für tot erklärt. Mein Vater war – glücklicherweise – zu jung, um in den Krieg geschickt zu werden. Mein Opa hatte ein Herzproblem und wurde deshalb nicht eingezogen.

Eine zweite Sache kam auch nur über Umwege ans Licht. Hin und wieder bekam meine Oma Besuch – ein Ehepaar aus den Niederlanden. Das war schon etwas recht Ungewöhnliches, wenn man in der DDR wohnte. Dass Leute West-Verwandte hatten, war ja nicht so überraschend. Das waren dann aber meist West-Deutsche. Was hatte es also mit den Niederländern auf sich? Und dann erzählte eigentlich eher der Niederländer. Da mein Opa ja nicht eingezogen wurde, führte er auch während des Kriegs sein Elektriker-Geschäft. Es muss wohl in gewisser Weise als kriegswichtig eingestuft worden sein, denn er bekam einen Zwangsarbeiter zugeteilt. Das war dieser Niederländer. Und da meine Großeltern ihn wohl gut behandelt haben, hat sich daraus eine lebenslange Freundschaft entwickelt. Er war der festen Überzeugung, dass sie ihm dadurch das Leben gerettet hatten. Nach der Wende haben wir sie mal in ihrem Wohnort besucht. Da waren sie dann selbst schon Großeltern.

Von Not und Entbehrungen hat meine Oma nicht viel erzählt. Das Geschäft meines Opas warf wohl ausreichend viel ab. Und er hat auch Dienstleistungen gegen Naturalien angeboten. Auch ist der Ort wohl von den meisten Kriegshandlungen verschont geblieben.

Einmal erzählte sie, dass ein Weg, den die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter gehen mussten, um zu der Fabrik zu kommen, in der sie arbeiteten, in der Nähe ihrer Wohnung vorbeiführte. Manchmal haben sie dann dort Kartoffelschalen ausgelegt, die sie extra dick abgeschält hatten. Und sie haben dann wohl auch beobachtet, wie die Gefangenen die gegessen haben. Irgendjemand hatte sie dann mal gewarnt, dass sie sich in Acht nehmen sollten, um nicht selbst diesen Weg gehen zu müssen.

Ja, ein ziemliches Flickwerk und ganz andere Aspekte und Perspektiven als sie meine andere Großmutter erzählt hat. Nun, jeder hat wohl seine ganz eigene Geschichte erlebt. Und doch gibt es einen gemeinsamen Punkt: alle woll(t)en, dass sich das NIE wiederholt.

Die Beiträge weiterer Teilnehmer an diesem Projekt findet Ihr im Menü unter dem Punkt Projekt „Gegen das Vergessen“. Danke für Eure Teilnahme. Jeder Beitrag zählt. Jeder kann mitmachen!

Wir sehen und auf dem Weg.
Let’s go!
Belana Hermine

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Eigene Beiträge

Teil 6 – Die Kraniche ziehen
Teil 5 – Meine Großmutter erzählt
Teil 4 – Wir Wunderkinder
Teil 3 – Puzzle-Teile – Erinnerungsfetzen
Teil 2 – Rosa
Teil 1 – Gegen das Vergessen

32 Gedanken zu “Meine andere Großmutter erzählt

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