Jetzt geht es weiter mit der Frage, was ich auf dem Weg gelernt habe.
Heute das 6. Fazit: Die allumfassende Liebe hat eine andere Qualität als die Liebe in einer Partnerschaft. Sie zu erleben hat meine Einstellung zum Zölibat stark verändert.
Über dieses Fazit zu schreiben, fällt mir besonders schwer, weil ich befürchte, zu viele Missverständnisse heraufzubeschwören. Vielleicht habe ich es deswegen so weit nach hinten geschoben. Dieses Risiko werde ich nun aber eingehen und hoffe, dass sich Missverständnisse ggf. über Kommentare ausräumen lassen.
Ich habe ja schon ein paarmal darüber geschrieben, dass ich durch das gleichmäßige Gehen und die teilweise recht eintönige Landschaft in leichte tranceähnliche Zustände geraten bin. Hin und wieder konnte ich dabei eine Verbundenheit mit allem und jedem erleben, wie ich es noch nie zuvor gespürt habe. Diese Verbundenheit war auch mit einem Gefühl der Liebe für alle und alles verbunden. Eine Liebe, die ganz anders war als die Liebe zu einer einzelnen Person, also in meinem Falle zu MD. Diese Liebe ist zeitlos. Sie fragt nicht nach gestern oder morgen, sondern lebt ausschließlich in diesem Moment. Sie fragt auch nicht nach jung oder alt, nach Mann, Frau oder Kind. Sie ist zustandslos und fragt nicht nach bisher Erhaltenem oder in Zukunft als Gegenleistung zu Erhaltenes. Im Zustand dieser Liebe ist alles einfach ganz klar und eindeutig. Man weiß ganz einfach, was richtigerweise gerade jetzt zu tun ist, und tut es dann auch, z. B. jemandem Wasser anbieten, jemanden ansprechen, jemandem ein Lächeln schenken. Es ist einfach faszinierend. Ich nenne das die allumfassende Liebe, weil ich diesen Begriff schon öfter gelesen bzw. gehört habe und mich das Gefühl stark an das erinnerte, was ich gelesen bzw. was wir diskutiert hatten.
Dieser Zustand der allumfassenden Liebe ist zutiefst befriedigend. Gewisse andere Bedürfnisse treten völlig in den Hintergrund bzw. verschwinden ganz – keine Sorge, sie kommen später wieder ;-).
Manchmal habe ich Berichte von Leuten über ihre Gottesbegegnungen gehört. Das, was dort erzählt wird, ähnelt für mein Verständnis stark dem, was ich jetzt hier aus meiner Sicht als die allumfassende Liebe beschrieben habe. Als mir das aber klar wurde, da kamen dann auch Gedanken an das Zölibat auf. Diese wurden zusätzlich gestützt durch einige Dinge, die ich nach meiner Wanderung in verschiedenen Büchern gelesen habe. Ich versuche mal, das zu erklären.
Eine Aussage in den Büchern war, dass man zölibatär leben müsse, um diesen Zustand spüren zu können. Da ich ja ohne MD unterwegs war, habe ich sozusagen selbst gewählt und ganz selbstverständlich zölibatär gelebt. Auch die katholische Kirche fordert ja das Zölibat von ihren Pfarrern. Bisher habe ich das immer für widernatürlich empfunden. Jetzt kann ich aber verstehen, wo diese Forderung nach dem Zölibat herkommt. Da ja aber die Pfarrer die Verbindung zu Gott halten sollen und somit eigentlich ganz oft im Zustand der allumfassenden Liebe sein müssten, würden diese körperlichen Bedürfnisse dann aber auch nicht mehr auftreten, sodass ein zölibatäres Leben dann eigentlich eine normale Folge und kein verordneter Zwang mehr sein müsste. Dass aber doch einige Pfarrer sexuellen Beziehungen (manchmal ja auch recht gewalttätigen) nachgehen, wäre dann eher ein Zeichen dafür, dass sie eben nicht ausreichend mit Gott in Verbindung stehen.
Ich hoffe, ich bin jetzt mit meiner krausen Weltsicht niemandem auf die Füße getreten. Jede/r kann, soll, darf, muss seine Spiritualität so leben, dass sie ihm/ihr hilft, seine/ihre Lebensfragen zu beantworten. Dabei können dann verschiedene, ja sogar widersprüchliche Antworten zustande kommen.
Für mich waren es tiefgreifende Erlebnisse, die meine Sicht über meinen Platz in dieser Welt stark beeinflusst haben. Ich möchte sie nicht missen und bin äußerst dankbar dafür, dass ich das spüren durfte.
Wir sehen uns auf dem Weg.
Let’s go!
Belana Hermine